Chateau
Rekonstruktion und Bau einer mittelalterlichen Turmhügelburg ("chateau à motte")
Der Teppich von Bayeux (Zum Vergrößern bitte anklicken)
Quellen auf die wir uns bei der Rekonstruktion bezogen haben:
1. Der Teppich von Bayeux
Er wird wohl bald nach der Schlacht bei Hastings im Jahr 1066 entstanden sein, erzählt Episoden aus dem Leben des Königs Harald des Zweiten von England und seine Niederlage in der Schlacht. Der Teppich wurde einmal im Jahr um das Kirchenschiff der Kathedrale von Bayeux für die analphabetische Bevölkerung ausgehängt; daraus erklärt sich seine Länge von 74,34 m bei einer Höhe von nur 50 cm. Auf diesem Teppich sind mehrere Turmhügelburgen symbolisch abgebildet.
2. Der Glockenturm von Norderbrarup
aus dem 13. Jahrhundert. Er ist unser authentisches Vorbild, was seine Konstruktionsmerkmale, aber auch was die Maße anbelangt. Es ist eindeutig erkennbar, dass dieser Turm auch für Verteidigungszwecke benutzt werden konnte.
3. Das Templerhaus von Amorbach
aus dem Jahr 1291. Die Kehlbalkenbinder dieses alten Hauses dienten uns als Vorbild, wobei wir uns für die Konstruktion eines Satteldaches entschieden.
4. "Weiherhaus des Fischers Linhardt Angerer"
ein Aquarell von Albrecht Dürer. Er hat es um etwa 1500 gemalt, eine Zeit, in der die Burg noch gut erhalten war, aber mittlerweile als Wohnhaus ausgebaut.
5. Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Grabungen
in Schleswig-Holstein, hier insbesondere am Kleinen und Großen Schlichtenberg bei Futterkamp, aber auch in Havekost, Wedel und in Eichede. Die guterhaltenen Turmhügel in Rethwisch bei Preetz und bei Giekau am Selenter See, mit ihren gut erkennbaren Ringgräben, zeigten uns interessante Details.
6. Große Hilfe bei der Rekonstruktion
unserer Motte waren die erfahrenen und von der Arbeit begeisterten Zimmerleute; sie konnten ihre über die Jahrhunderte in Zünften überlieferte Zimmermannskunst einbringen.
Die Turmhügelburg (château à motte)
Während die Slaven ihre Burgen mit Wall und Trockengraben umgaben, schützten die Normannen, dann aber auch die Sachsen, ihre Burgen mit Hügel und Wassergraben. Sie bauten ihre Burgen auf Hügeln unterschiedlicher Größe, immer in quelligen Niederungen in der Nähe von fließendenden Gewässern, so dass der Wehrgraben stets mit Wasser versorgt wurde. Der Boden für den Bau des Hügels wurde aus der unmittelbaren Nähe entnommen, nämlich mit dem Aushub des Grabens. Doch baute man den Hügel zunächst nur bis etwa 2/3 der Gesamthöhe auf, um darauf dann die Holzburg zu errichten. Erst danach erfolgte die Grabenfertigstellung, und mit dem hier gewonnenen Aushubboden wurde die endgültige Hügelhöhe erreicht, das heißt, die Burg wurde eingemottet, sie wurde gegen ein Umfallen gesichert. Die Masse des Grabenaushubes entspricht der aufgeworfenen Masse des Burghügels. Das im Nienthal der Stadt Lütjenburg gewählte Gelände, das von dem Bächlein namens "Lütt Elv" durchströmt wird, ist typisch für die Lage von Turmhügelburgen. Der Burggraben mit einer Breite von gut sieben Metern in Höhe des Wasserspiegels und einer Tiefe von etwa 1,30 m entspricht den Grabenmaßen an den alten Burgen, auf die wir uns beziehen.
Erst um 1830 begann die Wissenschaft, insbesondere der französische Archäologe Arcisse de Caumont, sich für diesen Burgentyp des Niederadels zu interessieren und benannte ihn château à motte (Burg auf dem Hügel). Der deutsche Burgenforscher Otto Pieper bezeichnete die Burganlage als Ganzes, pars pro toto, als Motte, während später der Archäologe C. Schuchhardt die Burg als Turmhügelburg bezeichnete. Die Turmhügelburg besteht aus zwei Bereichen, der Kernburg auf dem zum künstlichen Hügel aufgeworfenen Grabenaushub und der mit Wällen, bzw. Gräben umgebenen Vorburg mit den Wohn- und Wirtschatsgebäuden.
Vorlage für unsere Rekonstruktion der Kernburg ist insbesondere der Glockenstapel von Norderbrarup in Angeln, für die Motte die Erdbaureste vom Kleinen Schlichtenberg bei Futterkamp, Giekau, Rethwisch, Havekost, Nehmten, Stolpe und Eichede bei Trittau. Ausgegrabene Befunde an Motten könnten darauf hinweisen, dass diese entsprechend den heute noch existierenden Glockenstapeln gebaut worden sind, mit acht oder mit zwölf Ständern, die auf Schwellbalken gezapft, gegründet waren. Nur bei moorigen Untergründen, wie an der Hatzburg bei Wedel, wurden zur Lastverteilung Substruktionshölzer (Lastverteilspinne) unter den Schwellenkranz gelegt.
Zunächst wurde im Nienthal mit einem Teil des Aushubbodens des Ringgrabens der Hügel bis 1,60 m unter der endgültigen Höhe aufgeschüttet; auf diesem Plateau stellte man die Kernburg auf. Dann erst wurden die oberen 1,60 m der Motte mit dem Grabenaushub aufgefüllt, - die Burg wurde eingemottet. Der hohe Burgturm wurde so gegen umkippen durch Wind und Sturm gesichert. Zur weiteren Erhöhung der Stabilität wurde das Bauwerk, wie auch an den Glockenstapeln, von unten 6,00/6,00m auf oben 5,00/5,00 m eingezogen, es wurde konisch gebaut.
Die gesägten und dann mit Dechseln bearbeiteten Eichenhölzer setzten die Zimmerleute zu vier Seitenwänden, horizontal liegend, zusammen; danach zog man die Wände mit Hilfe eines Lastbaumes in die Senkrechte und verband sie an den Ecken. Alle zur Verfügung stehenden Menschen und Pferde wurden bei dieser schweren Arbeit des Aufstellens eingesetzt. Mächtige Andreaskreuze stabilisieren die Wände, Hakenblätter und Holznägel verbinden die Hölzer.
Vorlage für das Burgdach ist der Kehlbalken-Dachstuhl des Templerhauses von Amorbach im Odenwald aus dem Jahr 1291. Das Dach ist mit Mönch- und Nonne-ziegeln abgedeckt. Die auf dem Firstende befestigte geschmiedete Fahnenstange mit aufgesetzter Eichenholzkugel (Symbol unserer Erde) ist einem Fundstück aus der Weser nachgebaut. Die Farben der Schauenburger, später auch der Rantzauer Grafen, rot und weiß, schmücken unsere Wetterfahne.
In den Turm sind zwei Ebenen eingezogen. Der Fußboden aus 6 cm dicken besäumten Bohlen, die dem Wuchs der Bäume entsprechend verlegt sind, wurden mit handgeschmiedeten Nägeln befestigt, ebenso die Deckelschalung für die äußere Verkleidung des Burgturmes aus 4 cm dicken Bohlen. Zwei Treppen aus Dreikantblockstufen, jede mittels vier Holznägeln auf den tragenden Unterzügen befestigt, verbinden die Ebenen. Treppengeländer gab es im MA nicht, diese mussten aber den heute geltenden Bauvorschriften entsprechend angebracht werden. Um die allseitige Verteidigung auf der obersten Plattform zu ermöglichen, liegen die beiden Treppenläufe geschützt in der Mitte des Turmes; die allseits offene, 1,20 m hohe Brüstung dient der Verteidigung mit Pfeil und Bogen, Speer und Armbrust; Armbrustbolzen wurden in größerer Zahl am Großen und Kleinen Schlichtenberg und weiteren Burgen gefunden.
Der Burgeingang lag meistens im Obergeschoss und war nur mit einer Leiter zu erreichen, die dann bei drohender Gefahr eingezogen wurde. In der Kernburg verschanzten sich die wehrhaften Männer, die Frauen mit den Kindern, den alten Menschen und den Tieren flohen in die umliegenden Wälder.
Um auch unseren älteren Besuchern das Besteigen des Burgturmes in heutiger Zeit zu ermöglichen, wurde die Eingangstür nach unten verlegt.
(Stand 12. Jan. 2017 Dy.)